30.09.2022 | Märkte
Angesichts der Vielzahl an Hiobsbotschaften ist die Verunsicherung unter den Anlegern rund um den Globus entsprechend groß. Nach Ansicht von Vermögensverwalter Stephan Albrech sind viele Sorgen allerdings unbegründet.
Irrtum Nr. 1: Aktienmärkte folgen der Konjunktur
Der Aktienmarkt ist ein Mechanismus, über den Millionen von Investoren versuchen, möglichst treffend die Zukunft vorherzusagen. Es ist absurd zu glauben, dass ein solcher Antizipations- Mechanismus einfach der wirtschaftlichen Entwicklung folgt, doch genau das wird über viele Medien täglich suggeriert. Zu glauben, die Konjunkturentwicklung tauge dazu, die Aktienkurse der nächsten Monate und Jahre vorherzusagen, ist in etwa so, als ob man bei der Autofahrt auf die Motorhaube statt auf die Straße blicken würde – es kann richtig an die Gesundheit (des Vermögens) gehen. Zudem liegen die Experten bei den Konjunkturprognosen oft daneben, manchmal meilenweit. Das lässt sich gut verfolgen, wenn man sie mit der späteren Entwicklung abgleicht. Und welchen Auguren von Banken und Wirtschaftsinstituten sollten wir glauben, wenn diese beim BIP-Rückgang in Deutschland für 2023 wie derzeit eine Spannbreite zwischen minus 0,5 und minus 3,5 Prozent erwarten?
Irrtum Nr. 2: Aktienmärkte hängen von erwarteten Gewinnen ab
Wenig zielführend ist auch der Fokus auf die Gewinnschätzungen von Analysten. So dauert es recht lange, bis Unternehmensanalysten, die den Objekten ihrer Studien oft nahe stehen, verkünden, dass sie spürbar niedrigere Gewinne erwarten. Sie brauchen aber auch einige Zeit, bis sie nach einem größeren Markteinbruch von steigenden Unternehmensgewinnen ausgehen. Auf das Einsetzen dieses analytischen Herdentriebes zu warten, kommt Anleger teuer zu stehen. Eine Untersuchung belegt, dass die Analysten in den vergangenen zwei Jahrzehnten steigende Gewinne im Schnitt erst sieben Monate nach dem Aktienmarkt-Tief prognostizierten. Wären Anleger diesen Prognosen gefolgt, hätten sie Kursanstiege von 31 bis 47 Prozent, teils sogar von 70 Prozent verpasst. Auch damit würden unsere autofahrenden Anleger auf die Motorhaube starren, statt die Straße im Blick zu haben.
Irrtum Nr. 3: Höhere Zinsen sorgen auf Dauer für fallende Aktienmärkte
Bleibt ein Irrtum, der momentan besonders im Fokus steht. Er betrifft Ination und Zinsen und besagt: Steigende Zinsen wegen hoher Ination sind die Killer-Applikation für die Aktienmärkte. Gerne wird dazu auf die 1970er-Jahre verwiesen, aber offensichtlich machen sich nur wenige die Mühe, die Aktienkurse aus jener Zeit genauer anzuschauen. Dann würde man sehen: Ja, von 1972 bis 1974 wurden die Zinsen in den USA von 4 auf 14 Prozent angehoben – doch von 1975 bis 1980 stieg der breite Aktienmarkt von seinem Tief um erfreuliche 135 Prozent. Und ja, 1981 wurden die Zinsen dann auf 20 Prozent geschraubt, der Aktienmarkt verlor bis 1982 zunächst knapp 28 Prozent – legte aber bis 1987 um satte 220 Prozent zu. Nach dem Herbst 1987 mit einem Corona-ähnlichen Blitz-Minus von bis zu 35 Prozent schließlich ging es mit dem S&P 500 bis zum Jahr 2000 um weitere 620 Prozent nach oben. Daraus lässt sich folgern: Ja, starke Zinserhöhungen können den Markt auf kurze Sicht treffen, das heißt auf eine Dauer von bis zu zwei Jahren und mit einem Minus von bis zu 30 Prozent. Doch das hindert die Aktienmärkte mittel- bis langfristig nicht an weiteren, teils fulminanten Anstiegen. Somit kann auch die Fixierung auf Ination und Zinsen – Sie erinnern sich an unsere Motorhaube? – dem Vermögen erheblich schaden.
Die Medien sind voll schlechter Nachrichten. Auch die Zukunftserwartungen sind düster. Schließlich ist doch klar: Konjunktur und Unternehmensgewinne tendieren nach unten oder brechen vielleicht ein. Gleichzeitig schießen Inflation und Zinsen nach oben. Viele Anleger machen sich deshalb große Sorgen. Doch oftmals völlig zu Unrecht, meint Stephan Albrech, Vorstand der Albrech & Cie. Vermögensverwaltung AG in Köln
Quelle: FONDS ONLINE professional
Stand: 30.09.2022